Das Starrluftschiff LZ 127 Graf Zeppelin aus der Reihe der Zeppeline gilt als das erfolgreichste Verkehrsluftschiff seiner Zeit. Es wurde am 18. September 1928 nach 21-monatiger Bauzeit in Dienst gestellt und bekam das offizielle Luftfahrzeugkennzeichen D-LZ127. Zur Finanzierung des Baus wurde von Hugo Eckener die so genannte Zeppelin-Eckener-Spende ins Leben gerufen. Diese Sammlung brachte 2,3 Millionen RM, was aber die Baukosten nur teilweise decken konnte. Nach längeren Verhandlungen gab das Deutsche Reich 1,1 Millionen RM hinzu, und 0,8 Millionen RM brachte die Luftschiffbau Zeppelin GmbH aus eigener Kraft auf. LZ 127 wurde am 8. Juli 1928 anlässlich des 90. Geburtstages des 1917 verstorbenen Firmengründers Ferdinand Graf von Zeppelin von seiner Tochter Hella Gräfin von Brandenstein-Zeppelin getauft.Ursprünglich als Versuchsschiff gebaut, erwies sich LZ 127 als so
zuverlässig, dass es bald durch zahlreiche spektakuläre Fahrten berühmt
wurde. Dazu zählen unter anderem die 20-tägige Weltfahrt und die Polarfahrt.
Reich, schön, wichtig oder berühmt waren diejenigen, die sich eine Passage im Zeppelin leisten konnten.
Dr. Hugo Eckener, Kommandant des LZ 127, hatte zur Finanzierung der ersten Nordatlantikfahrt neben großer Mengen Luftpost auch zahlende Fahrgäste zugelassen. 3000 Dollar kostete die Reise über den Atlantik.
Ernst A. Lehmann, der auf dieser Fahrt neben Hans Curt Flemming und
Hans von Schiller als Wachoffizier dabei war, zählt die Passagiere auf:
„Die Hearstpresse, deren Chefkorrespondent Carl von Wiegand ist,
sichert sich die Bordberichterstattung für Amerika, Scherl und Ullstein
für Deutschland; zwei amerikanische und zwei deutsche Journalisten, zwei
Maler und zwei Filmoperateure machen die Überfahrt mit. Einer der
beiden Maler ist Eckeners Flensburger Landsmann Professor Dr. e. h.
Ludwig Dettmann, der auf dieser Ozeanreise eine Bildermappe voll starker
und farbensprühender Impressionen geschaffen hat.
Zwei Amerikaner, der Großindustrielle Dr. Reiner, dem auch eine
Fabrik in Chemnitz gehört, und der Rentner Gilfillan, in der Schweiz
ansässig, lassen sich den Kabinenplatz je 3000 Dollar kosten.
Die Reichsregierung entsendet zur Teilnahme einen Vertreter des Reichsrates, der sogar Minister ist, und drei des Reichsverkehrsministeriums, nämlich den Ministerialdirigenten Dr. Brandenburg, einen Meteorologen und einen Mitarbeiter der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt.“
Die Reichsregierung entsendet zur Teilnahme einen Vertreter des Reichsrates, der sogar Minister ist, und drei des Reichsverkehrsministeriums, nämlich den Ministerialdirigenten Dr. Brandenburg, einen Meteorologen und einen Mitarbeiter der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt.“
Die Ufa hatte den Kameramann Hans Rudolf Meyer mitgeschickt, für den
Scherl-Verlag waren der Jounalist Rolf Brandt und der Maler Ludwig
Dettmann mit an Bord, für Ullstein Walther Kleffel und der Zeichner Theo
Matejko.
Von deutscher Regierungsseite waren neben dem Ministerialdirigenten
Brandenburg noch der preußische Innenminister Albert Grzesinski und
Regierungsrat Dr. Rudolf Benkendorff an Bord. Lehmann zählt weiter auf:
„Die Telefunken-Gesellschaft und Zeiß lassen auf Fahrt Versuche
mit Kurzwellensendern und optischen Apparaten ausführen. Die
Versicherungsgesellschaft Allianz versichert sich durch einen ihrer
Direktoren über den Sicherheitsfaktor im Luftschiff, um hernach die
anfangs noch sehr hohen Versicherungsquoten herabzusetzen.Als Gäste folgen der Einladung zur Mitfahrt Graf
Brandenstein-Zeppelin, der Schwiegersohn des alten Grafen, Oberst
Herrera, der um das Zustandekommen der Südamerikalinie bemühte Leiter
der spanischen Luftfahrtgesellschaft Colon, und Commander Rosendahl.“
Wer aufmerksam gelesen hat, wird bemerkt haben, dass bislang
ausschließlich männliche Gäste aufgezählt worden sind. Doch immerhin gab
es mit Lady Grace Hay Drummond-Hay wenigstens eine Quotenfrau auf der
ersten Nordatlantiküberquerung des LZ 127. Die Lady erfüllte dann sogar
schon vor dem Start des Luftschiffs ein weibliches Klischee, wie Lehmann
zu berichten weiß:
„Als das Luftschiff schon ausgebracht werden soll, stellt sich
heraus, daß die einzige mitfahrende Dame, die Journalistin Lady Drummond
Hay, im Hotel mit ihrer Toilette noch nicht fertig ist und fehlt.
Atemlos kommt sie mit ihrem Kollegen Carl von Wiegand, der sie nicht im
Stich gelassen hat, angelaufen, wird, da die Einstiegstreppe schon
entfernt worden ist, durch die Gondeltür an Bord gehoben und jammert,
kaum oben, zum Kabinenfenster hinaus: ‚Um’s Himmels willen, mein
Mantel!‘ Die Schiffsleitung ist galant genug, durch Schnellauto auch den
vergessenen Mantel noch aus dem Kurgartenhotel herbeizuschaffen; dann
endlich kann sich der Koloß, von Schillers Pfeife dirigiert, an
Seilspinne und Laufkatze in Bewegung setzen.“
Diese Episode kommentiert der mitreisende Journalist und Schriftsteller
Rolf Brandt etwas genervt in seinem Reisetagebuch mit folgenden Worten:
„Ein kleines Intermezzo, wie die englische Kollegin, Lady
Drummond-Hay, im letzten Moment – ach, diese Frauen herangestolpert
kommt, und wie sie es fertig bringt, sich sogar den vergessenen Mantel
noch nachbringen zu lassen.“
Zeppelinarchivarin Barbara Waibel beschreibt in ihrem Buch „Zu Gast im
Zeppelin“ den deutsch-amerikanischen Textilmaschinenfabrikanten Dr.
Rudolf Reiner als heiteren und kontaktfreudigen Reisegenossen, während
der Rentner Frederick Gilfillan das absolute Gegenteil gewesen sei:
„Er blieb für sich, sprach wenig und wenn, dann nörgelte er. Ganz
besonders schimpfte er über das Rauchverbot an Bord, für das er
überhaupt kein Verständnis aufbringen konnte. Es hieß, er sei ein sehr
starker Raucher, der täglich bis zu 100 Zigaretten konsumierte.“
Begeisterte Einheimische und teilweise sogar aus dem Ausland angereiste
Schaulustige bejubelten den Zeppelin, der am 11. Oktober 1928 – es war
ein Donnerstag – um 7:54 Uhr aufstieg. Fotografen und Presseleute aus
aller Welt dokumentierten das Geschehen.
Als erstes bezogen die Passagiere ihre Kabinen und packten ihre Koffer aus. Anschließend, schreibt Barbara Waibel,
„versammelten sie sich in dem behaglichen rot-goldenen Salon und
gaben sich ganz dem Genuss des Reisens in einem Zeppelin hin. Auf
bequemen Stühlen vor den Fenstern sitzend, zog die herrlichem Landschaft
wie ein Wandelpanorama unter ihnen vorüber. Um ein Uhr wurde die erste warme Mahlzeit serviert. Der Steward und sein
Gehilfe deckten die Tische mit dem geschmackvollen Bordporzellan, das
die Firma Heinrich in Selb gestiftet hatte. Jeder Gast erhielt eine
Serviette mit eigenem Ring. Die ersten Flaschen wurden entkorkt. Das Mittagsmenü bestand aus einer kräftigen Fleischbrühe, einem
Schmorbraten als Hauptgang und Kompott oder frischem Obst als Dessert.“
Rolf Brandt saß mit Lady Drummond-Hay, Carl von Wiegand, Ludwig
Dettmann, dem Zeichner Matejko und Oberst Herera am Tisch. Brandt
schreibt:
„Wir hatten den runden Ecktisch, der sich auf der linken Seite
gleich neben dem Gang zur Küche und zur Funkstation befindet. Wir
beschließen, unseren Tisch während der Fahrt beizubehalten.“
Nach dem Essen zogen sich einige der Fahrgäste zu einem Mittagsschlaf in
ihre Kabinen zurück, andere schlenderten durch das Luftschiff oder
plauderten im Salon. Alle erfreuen sich an der Schönheit der
vorbeiziehenden Landschaft. Nach dem Abendessen kommen sich die Gäste
näher. Rolf Brandt:
„Man nimmt ein Glas Bordeaux. Beschwingter vom Erlebnis als vom Wein
trinken sich die Tische einander zu. Man fühlt, wie Kameradschaft
wächst.“
Die Fahrt über den Ozean verlief nicht ohne Turbulenzen. Als der
Zeppelin über den Azoren von einem starken Westwind ergriffen wurde,
schüttelten die Böen das Luftschiff hin und her, hoch und runter.
Hugo Eckener schreibt in seinem Fahrtbericht, wie sich das Luftschiff plötzlich verhielt:
„Es steckte zunächst die Nase weg, richtete sich dann aber schnell
wieder auf und wurde in einer Schräglage von etwa vierzehn bis fünfzehn
Grad je um etwa einhundertfünfzig Meter emporgerissen. Ein solcher
Vorgang ist durchaus nichts Ungewöhnliches.“
Diese nüchterne Einschätzung Eckeners galt aber nicht für die Fahrgäste. Barbara Waibel über die Auswirkungen:
„Sie hatten sich gerade zum Frühstück im Salon eingefunden, als sich
das Luftschiff aufbäumte. Tassen, Teller, Kaffeekannen fielen samt
Inhalt mit großem Getöse von den Tischen und geradewegs auf einige
Passagiere, die sich nicht mehr rechtzeitig in Sicherheit bringen
konnten. Besonders stark in Mitleidenschaft gezogen wurde der preußische
Innenminister: ‚Auf mich kamen Teller, Sahnetopf, Wurst, Butter und
belegte Brote. – Das Tablett stand gerade vor mir auf meinem Tisch. Kein
Wegspringen schützte vor den einstürzenden Ereignissen! Es war nicht
gerade schön. Es wurde alles schnell aufgeräumt und abgewischt. Doch es
hat viel Scherben, auch in der Küche, gegeben. Und einen
Erinnerungsfleck auf meinem braunen Anzug.‘ Der Zwischenfall hatte allen
einen gehörigen Schrecken versetzt.“
Die Zeppeliner und ihre Passagiere mussten mitten im Atlantik, genau
zwischen Afrika, Nord- und Südamerika, mit weiteren Schwierigkeiten
kämpfen: Bei der hinteren Stabilisierungsflosse war die Bespannung
zerrissen und der Bezug flatterte in Fetzen im Fahrtwind. Das Schiff
drohte, manövrierunfähig zu werden.
Rolf Brandt beschreibt die Szenerie:
„Eckener, ruhig wie immer, kommt auf einen Augenblick in den Salon.
Sitzt mit ernstem Gesicht auf der Sofabank, die der Stammplatz von dem
Minister ist. Eckener sagt, daß er nach Washington gefunkt und um
Entsendung eines schnellen Torpedobootes gebeten habe. Der Salon wird
leer… Es wird unerträglich warm. Über dreiundzwanzig Grad Celsius. Die
Schiffsuhr zeigt zehn Uhr fünfzehn.
Regen schlägt gleichmäßig gegen die Scheiben. Vorläufig wird es kein warmes Essen geben, sagt der Steward mit unangenehmer Wichtigkeit. Wir Passagiere sagen es natürlich einander nicht – aber man ist ein bißchen beklommen…“
Regen schlägt gleichmäßig gegen die Scheiben. Vorläufig wird es kein warmes Essen geben, sagt der Steward mit unangenehmer Wichtigkeit. Wir Passagiere sagen es natürlich einander nicht – aber man ist ein bißchen beklommen…“
Immer wieder ließ der Schiffsführer die Motoren drosseln und in luftiger
Höhe begannen die Reparaturen. Die Männer wären bei einer raschen
Geschwindigkeit sonst von der Stabilisierungsflosse geweht worden.
Nach rund fünf Stunden war alles soweit notdürftig repariert, dass der
Zeppelin weitgehend mit normaler Geschwindigkeit weiterfahren konnte.
Eckener funkte an die Marine, das Rettungsschiff nun doch nicht mehr zu
benötigen. Im Fahrtbericht schreibt er:
„Über die Ursachen, die zum Platzen des Stoffbezuges führten,
herrscht noch nicht volle Klarheit. Ich persönlich bin folgender
Ansicht: Als das Luftschiff in der Regenbö rapide hoch ging, entstand in
der hinteren Stabilisierungsflosse wie im ganzen Schiff natürlich ein
Überdruck, der durch die Ventilationsklappen ausgeglichen werden mußte.
Gleichzeitig, so vermute ich, wird in einer bestimmten starken
Schräglage des Schiffes an der unteren Seite der Stabilisierungsfläche
ein starker Unterdruck, ein Sog, sich gebildet haben, der im Verein mit
dem Überdruck die Wirkung hatte, die untere Stoffbespannung von den
Trägern, an denen sie befestigt ist, abzulösen oder ‚abzusaugen‘. Dabei
ist der Stoff geplatzt. Möglicherweise ist an der Platzstelle ein
Webefehler oder eine Beschädigung vorhanden gewesen, die zum Zerplatzen
beitrug.“
Trotz weiterer zahlreicher Turbulenzen und widriger Wetterbedingungen
erreichte LZ 127 „Graf Zeppelin“ glücklich die amerikanische Küste.
Rolf Brandt beschreibt die fiebrige Stimmung der Passagiere und den euphorischen Empfang:
„Unten, alle Dampfsirenen heulen, das Weiße Haus. Tausende von
Menschen, das Capitol. Viele Fahnen wehen, es ist, als ob ein Brausen
heraufdringe.Die Passagiere werden übermütig, sie gründen den Zeppelin-Club, dem
jeder beitreten kann, der den Ozean im Zeppelin überquert hat. Dr.
Eckener wird das Ehrenpräsidium angeboten. Er nimmt es lächelnd an, mit
dem freundlichen Ausdruck eines Erwachsenen, der Kindern gern einen
Gefallen tut.
Hundert Dampfer auf dem Delaware, tausend Fabriken, alles dröhnt seine
Freude empor. Die Wolkenkratzer. Dächer schwarz von Menschen. Alles nur
Auftakt für New York, das wir im letzten Licht des Tages erreichen. Der
Verkehr auf den riesenlangen Straßen steht still. Das Gebrause des
Hafens und der Stadt ist ungeheuer. Flugzeuge umkreisen uns wie
Vogelschwärme. Eckener und alle Schiffsoffiziere stehen im Vorderraum
des Führerstandes. Wir fliegen genau über die Freiheitsstatue. Es ist
ein feierlicher Augenblick, wir werden alle still und ergriffen.“
111 Stunden und 44 Minuten nach seinem Start in Friedrichshafen landete LZ 127 „Graf Zeppelin“ glücklich in Lakehurst.