Dieses Hotel bringt den chiliroten Charme der früheren Sechziger zurück:
Das TWA-Terminal am New Yorker Kennedy-Flughafen - lange eine Bau-Mumie
- ist neu eröffnet.
Das Terminal der amerikanischen Airline am internationalen Flughafen,
1962 eröffnet, war da schon abgenutzt. Doch der transatlantische Luxus
hing noch in allen Ecken herum, wie ein Hauch Chanel mit Kerosin.
Das TWA Flight Center des finnischen Architekten Eero Saarinen war ein
Wahrzeichen des Jet-Zeitalters - und ein Wahrzeichen seines Niedergangs.
Nach der Pleite der Trans World Airlines (TWA) im Jahr 2001 wurde der
Bau zur Mumie im Schatten neuerer, funktionellerer, hässlicherer Monster
- Relikt einer Ära, in der Fliegen noch Glamour war.
Jetzt haben sie diesen Glamour rekonstruiert, restauriert und renoviert.
Man kann sogar an den alten Schaltern einchecken - nicht als Fluggast,
sondern als Hotelgast: Diese Woche ist das TWA-Terminal, RIP, als
Luxusabsteige wiederauferstanden. Gut 300 Millionen Dollar hat der
Hotelkonzern MCR in die stilgerechte Sanierung gesteckt - Asbest und
Blei raus, zwei neue Gebäudeflügel mit 512 Zimmern rein.
Zuerst kämpfe ich mich durch den Trubel der Veuve-Clicquot-getränkten Erinnerungsparty. Eine Beatles-Coverband zwitschert "She Loves You", dazu
tanzen Fake-Stewardessen und Fake-Piloten in nachempfundenen
TWA-Uniformen - eine aufgekratzte Mischung aus Broadway-Show und
Clipper-Laufsteg.
Das nicht minder aufgekratzte Hotelpersonal trägt ebenfalls
Nostalgie-Outfits, eigens geschneidert von Stan Herman, der einst echte
TWA-Uniformen nähte, die man hier ebenfalls bewundern kann.
Alles ist - scheint - wie damals, bis ins kleinste Detail. Die
geschwungene Flügelarchitektur, die "chiliroten" Teppiche, die dezent
ratternden Original-Anzeigetafeln, der nervige Sinatra-Soundtrack im
Hintergrund. Nur kleiner wirkt es, als ich es in Erinnerung habe, vor
allem im Vergleich zu den Mammutflughäfen, die ich inzwischen gewohnt
bin. Diese hübsche Hütte passt hundertmal in Pekings Terminal 3.
Auch die Röhrenpassagen, durch die Leonardo DiCaprio in "Catch Me If You
Can" hastete, sind noch da, frisch gesaugt. Doch sie führen nicht mehr
zu den Gates - sondern zu Fluren, die wie neue Autos riechen.
Das Zimmer ist wie das Hotel den 60er nachempfunden. Der kleine Schreibtisch biegt sich vor
Sechzigerjahre-Memorabilia: ein Wählscheibentelefon, ein "Life"-Magazin
von 1960 mit den Coverstars Jill Haworth und Sal Mineo, eine
TWA-Postkarte.
Vergessen haben sie dagegen modernere Ideen wie USB-Anschlüsse oder,
tatsächlich, einen Nachttisch. Was sonst in Augenhöhe neben dem Bett
parkt, kommt auf den Boden. Überhaupt herrscht ein krasser
Steckdosenmangel. Man soll wohl spüren, wie das früher war.
Dafür ist man mittendrin im Airport, gestrandet wie Tom Hanks in
"Terminal". Durchs raumhohe Fenster geht der Blick auf das neue Terminal
von JetBlue, dahinter parkt eine Boeing 747 von British Airways. Taxis
schlängeln sich drumherum, der Air Train zuckelt um die Kurve, ein Jet
steigt auf, dann noch einer, Rushhour in Queens, NY.
Doch nichts davon ist zu hören. Nichts. Das neue Fensterglas ist zwölf
Zentimeter dick, schalldicht. Da dringt keine Luft durch und kein Laut.
Von drinnen dagegen hört man alles. Die Nachbarn zur einen Seite
streiten sich gerade um einen Koffer ("Du musst morgen ja nicht
weiterfliegen!"), die zur anderen Seite trällern ein Liebeslied aus "My
Fair Lady" mit, das in ihrem Zimmerradio läuft.
Schlafen ist erst mal nicht drin. Also runter zur "Sunken Lounge". In
diesem roten Halbrund unter Panoramafenstern hockten früher
VIP-Passagiere, jetzt ist es eine Cocktailbar. Die Drinks heißen "Howard
Hughes" und "Come Fly With Me"
Von hinten wabert Fettgeruch. Das Restaurant "Paris Café" des VIP-Kochs
Jean-Georges Vongerichten hat den Herd angeschmissen. Leider seien alle
200 Sitze auf Wochen hinaus reserviert, bedauert die Hostess, gewährt
einem aber einen Blick auf die Speisekarte: Wagyu-Steak,
Bratlachs, Hühnchenbrust.
Dann halt Economy statt First Class. Wo früher Gepäck gewogen wurde,
sind Take-out-Stände aufgebaut, es herrscht der Charme einer
U-Bahn-Station. "Authentisches New Yorker Food-Erlebnis", verheißt die
Hotelbroschüre. In der Tat: Wände noch im Rohbau, Kabel hängen runter,
aber für die Summe einer Bio-Poularde à la Jean-Georges gibt es Dinner
for Two, zwei Falafel-Teller, zwei Limos.
Zurück aufs Zimmer. Draußen versinkt der Flughafen in der Nacht, nur die
ehemalige TWA-Haupthalle strahlt noch wie eine schimmernde Auster. Die Nachbarn sind verstummt, die Stille und der Blick halten mich wach.
Am nächsten Morgen wartet die rüde Realität des Fliegens, anno 2019. Im angrenzender Flughafen, Koffer krachen
vom Gepäckband, Kinder plärren, Chauffeure brüllen Namen, der
Plastikboden schlägt Wellen, Neonlicht blendet.
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