Stadt Arbon
Der Übergang vom Nomadenleben der Jäger und
Sammler ältester Kulturen zum sesshaften Bauer und Handwerker ist ein
Meilenstein in der Entwicklungsgeschichte. Die Seebucht zwischen Arbon und
Steinach dehnt sich in früheren Zeiten zirka 800 Meter weiter westlich bis
gegen Roggwil aus. Am Ufer – im heutigen Bleichegebiet – bauen die ersten
Siedler zwischen 3500 und 2500 v.Chr. ihre Dörfer. Die geometrisch angeordneten
Häuser und Gassen lassen bereits eine gewisse Bauordnung erkennen. Viehzucht
und Ackerbau sowie Fischfang und Jagd ermöglichen den Pfahlbauern einen
abwechslungsreichen Speisezettel. Mehrere Fundobjekte sowie das Saatgut stammen
aus fernen Ländern, Zeichen europaweiten Tauschhandels. Als Werkstoffe benützen
die einheimischen Handwerker Stein, Holz, Knochen, Hörner und gebrannten Ton.
Bei der Trockenlegung des feuchten
Bleicheareals für vermehrten Anbau von Getreide während des Zweiten Weltkrieges
machen die Arbeiter eine erstaunliche Entdeckung: Schon 3500 Jahre vor Saurer
sind hier Bronzegiesser am Werk! Internierte polnische Soldaten werden dann
1945 als Schatzgräber eingesetzt, und sie legen ein stattliches Dorf aus der
Bronzezeit frei (zirka 1700 v.Chr.). Hunderte aus Bronze gefertigte, teils
kunstvoll verzierte Werkzeuge, Jagdwaffen, Gefässe und Schmuckge-genstände
verraten kunsthandwerkliches Geschick. Bronze ist eine Legierung aus Kupfer und
Zinn. In Arbon verarbeitetes Kupfer stammt aus der Eifel, das Zinn aus dem
Südwesten von Grossbritannien; alles Hinweise auf den regen frühzeitlichen
Fernhandel.
Die Arboner Pfahlbausiedlungen der Jungsteinzeit
und Bronzezeit sind dank der Vielzahl der Fundobjekte und ihres im
Grundwasserbereich hervorragend erhaltenen Zustandes von europäischer Bedeutung
für Wissenschaft und Forschung.
Nach dem siegreichen Feldzug (15 v.Chr.)
gegen die Rätier gründen die Römer die Provinz Rätien (Graubünden, Vorarlberg,
Bodenseeregion, Allgäu). Gleichzeitig entsteht in Arbon eine kleine Siedlung,
wohl ein Umschlagplatz für Handelsgüter. Sie liegt an zwei
Hauptverkehrsstrassen. Um 250 n.Chr. drängen germanische Stämme, die Alemannen,
nach Süden. Die Römer ziehen sich auf die Oberrhein- Bodenseelinie zurück, die
sie als neue Reichsgrenze befestigen. Das Kastell Arbor Felix wird gebaut. Die
zirka 350 Meter lange Festungsmauer mit acht Wachttürmen sowie einem tiefen
Graben auf der Landseite umschliessen den heutigen Schloss- und Kirchenbezirk.
Zahlreiche Originalfunde widerspiegeln den hohen Lebensstandard der
Kolonialherren. Herausragende Objekte sind der 145 kg schwere, beschriftete
Bleibarren britischer Herkunft sowie die Badeanlage mit Boden- und Wandheizung
unter der St. Martinskirche.
Gegen 420 ziehen sich die Römer endgültig auf die
Alpensüdseite zurück. Das Bodenseegebiet wird Teil des alemannischen
Herzogtums. Viele Römer bleiben in der Gegend. Familiäre Bindungen zwischen
ihnen, den Alemannen und den seit jeher ansässigen keltischen Helvetiern lassen
friedliches Zusammenleben erahnen.
Mit der Ankunft der irischen Glaubensboten
um Kolumban und Gallus um 612 beginnt die spannende Lokalgeschichte des Mittelalters.
Nach zwei Jahren wenig erfolgreicher Missionierung in Vorarlberg ziehen die
Iren weiter nach Oberitalien. Gallus bleibt zunächst in Arbon, um dann seine
Zelle im Steinachtobel zu errichten - die Keimzelle für das Kloster und die
Stadt St. Gallen.
Arbon und seine Bürger werden – im aufstrebenden
Fränkischen Reich - um 700 Eigentum des Bistums Konstanz und bischöfliche
Obervögte regieren bis 1798 auf Schloss Arbon. "Unter dem Krummstab ist
gut leben".
Für die Arboner trifft das Sprichwort durchaus zu.
Die Stadt entwickelt sich zum regionalen Marktort. Eine vom Bischof
ausgestellte Urkunde vom 29. Januar 1255 bestätigt die Rechte und Pflichten der
Bürger gegenüber ihren Grundherren. Sie ist die älteste noch vorhandene
Stadtrechtsurkunde im Bodenseeraum und wird im Bürcherarchiv aufbewahrt (2005
feierte die Stadt Arbon ihr 750 Jahre Stadtrecht).
Andauernde Streitigkeiten zwischen den Konstanzer
Bischöfen und den St. Galler Äbten sind der Grund für den Bau der Stadtmauer
mit Wehrgang, Toren und Graben im 13. Jahrhundert. Mehrmals halten sich
gekrönte Häupter auf Schloss Arbon auf. Konradin, der letzte Staufer, wohnt
hier während zwei Jahren, was die wirtschaftliche Bedeutung der Stadt
unterstreicht.
Nach den Wirren der Reformation in der
ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, furcht-baren Pestzügen und dem
Dreissigjährigen Krieg (1618-1648), versinkt Arbon in wirtschaftliche
Bedeutungslosigkeit. Hinzu kommt, dass die Arboner nach der Eroberung des
Thurgaus durch die alten Eidgenössischen Orte im Jahr 1460 nun de facto zwei
Herren dienen sollten. Andauernde Verwaltungsstreitigkeiten mit den Konstanzer
Bischöfen und der Eidgenössischen Tagsatzung sowie konfessionelle Zänkereien
hemmen jeglichen Fortschritt.
Erst im 18. Jahrhundert stellt sich der ersehnte
Aufschwung ein. Gegen 1700 ziehen süddeutsche Leinwandhändler nach Arbon. Nach
dem Verlust ihrer Handelsprivilegien in Frankreich (Pfälzischer Erbfolgekrieg)
können sie hier weiterhin veredelte Leinwand nach Frankreich liefern. In ihren
Manufakturen finden zahlreiche Arboner Arbeit und Verdienst. Das ganze 18.
Jahrhundert steht im Zeichen bescheidenen Wohlstandes für Viele. Stattliche
Bürgerhäuser und die barocken Wohn- und Geschäftshäuser der reichen Unternehmer
zieren noch heute die Altstadt. Die Französische Revolution und das Aufkommen
billiger, industriell gefertigter Baumwollprodukte aus Grossbritannien läuten
um 1800 den Niedergang der Leinwandblüte ein
Nach der Auflösung des Bistums Konstanz
(1803) gelangt die Schlossanlage in den Besitz von Franz Xaver Stoffel. In den
Schlossräumen gründet er die Seidenbandweberei Stoffel & Söhne, mit gegen
200 Beschäftigten der erste eigentliche Industriebetrieb. Nach 1850 setzt
stürmisches ein: Webereien, Stoffdruckereien und Färbereien, Stickereien,
Kleingewerbe und Fabriken. Mechanische Werkstätten und Maschinenfabriken
stellen die Maschinen und Gerätschaften für sie her. Franz Saurer und seine
Söhne entwickeln ihre Fabrik zum grössten Unternehmen der Ostschweiz mit
Stickmaschinen, Nutzfahrzeugen, später Webmaschinen. Arnold Baruch Heine
gründet die weltweit zweitgrösste Stickereifabrik mit 2200 Beschäftigten und
ebenso vielen Heimarbeitern. Um 1880 zählt Arbon 52 eingetragene
Stickereibetriebe. Von 1890 bis 1910 wächst die Einwohnerzahl von 2500 auf
knapp 10‘000. Davon sind 49 Prozent Einwanderer: Fabrikanten und Facharbeiter
aus Deutschland, Baumeister und Maurer sowie viele hundert junge Frauen aus
Italien.
Nach Jahren sozialer Spannungen zwischen
Patrons und Arbeiterschaft nach der Jahrhundertwende keimt mit der Gründung von
Standesorganisationen hüben und drüben allmählich eine gegenseitige
Partnerschaft auf. Kranken-, Unfall- Altersversicherungen verbessern den Alltag
der Fabrikarbeiterfamilien. Neue Arbeiterquartiere lindern die Wohnungsnot. Das
Ende der Stickerei-Industrie, die Krise der 30er Jahre, zwei Weltkriege, Jahre
mit wirtschaftlichem Aufschwung und Niedergang sowie die Hochkonjunktur der
Nachkriegsjahre prägen Gesellschaft und Politik sowie das Ortsbild bis heute.
Mit dem Niedergang der über Generationen
dominanten Firma Saurer gegen Ende des Jahrhunderts wandelt sich Arbon nach
einigen Jahren der Stagnation zum vielseitigen, pulsierenden Gewerbe-,
Industrie- und Dienstleistungszentrum. Vernünftiges Wachstum mit heute mehr als
14‘000 Einwohnern widerspiegelt die hohe Lebensqualität der Stadt am See.
Raddampfer Hohentwiel
Der
wahrscheinlich schönste historische Raddampfer des gesamten Kontinents fährt
mit strahlend weißen Markisen, poliertem Messing und reflektierendem Mahagoni
sowie mit Teakholz- und Kirschholzbeschlägen über den drittgrößten Binnensee
Mitteleuropas. Die Fachpresse hat es als "Europas am besten
restauriertes Dampfschiff" bezeichnet und es symbolisiert zweifellos die
Handwerkskunst eines längst vergessenen Zeitalters. Jedes Detail zeigt Meisterwerke
des Jugendstils. Alles an Bord der Hohentwiel verschmilzt zu einem
authentischen Ganzen. Die absolut originalgetreue Restaurierung erinnert
an die glorreiche Blütezeit des Dampfschiffs als luxuriöser Raddampfer für
gekrönte Staatsoberhäupter.
Am 11.
Jänner 1913 lief die Hohentwiel als das siebte Dampfschiff der Königlich
Würtembergischen Staatsbahnen vom Stapel. Benannt nach der gleichnamigen
Festung und dem Vulkankegel Hohentwiel bei Singen, bediente der
Halbsalondampfer ab Mai 1913 vom Heimathafen Friedrichshafen aus vor allem die
Kurse im Bodensee-Längsverkehr. Das Publikum liebte sie und bald zählte die
Hohentwiel zu den prominentesten Schiffen auf dem Bodensee. Graf Zeppelin
feierte auf ihr seinen Geburtstag und Wilhelm II. von Württemberg lud den König
von Sachsen zur schönen Ausflugsfahrt.
Im zweiten
Weltkrieg wurden nur noch wenige Schiffskurse auf dem Bodensee ab
Friedrichshafen aufrechterhalten. In der Nacht des 24. April 1944 wurde
Friedrichshafen, der ehemalige Heimathafen der Hohentwiel, bombardiert und versank
in Schutt und Asche. An diesem Tag war die Hohentwiel gerade im Begriff in
Konstanz mit Kurs auf Friedrichshafen auszulaufen, als sie durch eine Warnung
zurückgehalten wurde. Das Schwesternschiff der Hohentwiel, die Friedrichshafen,
wurde in dieser Nacht komplett zerstört. Am Ende des Krieges gab es nur noch
ein Dampfschiff in Friedrichshafen, die Hohentwiel.
Nach
turbulenten Jahrzenten ging sie vor Anker und diente ab 1962 dem Bregenzer
Segelclub als Restaurant und Clubheim. Zu Beginn der achtziger Jahre schien das
Schicksal der Hohentwiel endgültig besiegelt, doch im letzten Augenblick wurde
sie gerettet. Im Jahr 1984 erwarb der Verein
„Internationales–Bodenseeschifffahrtsmuseum e.V.“ den mittlerweile
renovierungsbedürftigen Dampfer. Durch Spenden, den Einsatz zahlreicher
Vereinsmitglieder und freiwilliger Helfer, gelang es Altlandrat Klaus Henninger
aus Lindau und Schiffsingenieur Reinhard e. Kloser, die Hohentwiel wieder in
ihren ursprünglichen Zustand zu versetzen.
Modernste
Technik und historische Substanz wurden vereint, jedes Detail perfekt
restauriert. Nach sechs Jahren unermüdlicher Recherche- und
Restaurierungsarbeit, konnte die Hohentwiel am 17. Mai 1990 erneut zur
Jungfernfahrt auslaufen. Wer heute mit der Hohentwiel ausfährt , bewegt sich in
einer anderen Zeit und darf für Stunden dem Rest der Welt getrost den Rücken
kehren. Mit ihren eleganten Linien verkörpert die Hohentwiel wie kaum ein
anderes historisches Schiff die große funktionale und ästhetische Qualität
ihrer Zeit. Beiboote, in traditioneller Technik aus Mahagoni gefertigt, blank
geputzte Positionslaternen, Bronzereliefs mit dem würtembergischen Wappen, die
erlesene Innenausstattung - alles vermittelt die unvergleichlich vornehme
Atmosphäre der Belle Époque. Man kann sich kaum einen schöneren Ort wünschen,
um das Leben mit Freunden in voller Fahrt zu genießen.
Art-Deco' Motorschiff Oesterreich
Die Oesterreich wurde 1928 in Dienst gestellt und leitete die Ära der Motorschiffe am Bodensee ein. Bis heute transportiert das erste große Motorschiff am Bodensee das Flair und den Luxus der damaligen Epoche. Der damalige Stolz der österreichischen Flotte trug den Beinamen „Luxus-Liner“. Wie so viele historische Schiffe, sollte die Oesterreich 2012 verschrottet werden. Mit viel Einsatz wurde das wunderschöne Art déco-Motorschiff in den vergangenen Jahren wieder instandgesetzt und wird gemeinsam mit dem historischen Dampfschiff Hohentwiel betrieben.
Aufbruch in ein neues Zeitalter war angesagt, als sie 1928 in Dienst gestellt wurde. Es war ein Moment des großen Aufatmens. Nach dem ersten Weltkrieg sehnten sich die Menschen nach Luft, Leben und Schönheit. Der Achtstundentag und tarifliche Urlaubsregelungen wurden eingeführt. Die Freizeit wurde demokratisiert. Die luxuriöse Erscheinung der Oesterreich, begeisterte das erlebnishungrige Publikum von Anfang an.
Im Sommer 1945 nahm die Generaldirektion der österreichischen Staatseisenbahnen den Betrieb auf, zu welchem nun auch wieder die österreichischen Schiffe gehörten. Die Oesterreich war nach den Kriegsjahren fast völlig demoliert. Am 25. Juli 1953 startete das gerade 25 Jahre alte Schiff frisch renoviert und aufgebaut zur zweiten Jungfernfahrt. Das Schiff wurde völlig verändert und auch am Bug hieß es von nun an „Österreich“ mit „Ö“.
Ab Herbst 2009 lag die Oesterreich außer Dienst in der Werft in Fußach. Bei einer großen Inspektion zeigte sich ein niederschmetterndes Bild. Die gesamte Elektroinstallation hätte erneuert werden müssen, die Rumpfbleche waren an vielen Stellen zu dünn, die Motoren entsprachen nicht mehr den gültigen Abgasnormen, der Brandschutz war nicht gewährleistet. So entschlossen sich die damaligen Eigentümer das Schiff auszumustern und zu verschrotten. Doch dagegen formierte sich Widerstand.
Das erste große Motorschiff auf dem Bodensee sollte erhalten werden – darin war sich eine wachsende Gruppe von Schiffsfreunden einig. Zunächst wollte man für finanzielle Unterstützung sorgen, damit der Eigentümer das historische Schiff erhält und renoviert. Diese Versuche waren jedoch nur von geringem Erfolg gekrönt.
Ideen, die Österreich zu renovieren, hatte es mehrere gegeben. Die einen wollten ein luxuriöses Hotelschiff daraus machen, auch der Plan eines Kreuzfahrtschiffes stand im Raum. Das Projekt wurde von rund 25 Personen unterstützt. 2014 gründete die private Initiative rund um Jürgen Zimmermann einen Verein – den „Freundeskreis MS OESTERREICH e.V.“
Anfang 2015 wurde an den Verein ein Ultimatum gestellt: Wenn das Schiff nicht bis 31. März 2015 einen neuen Eigentümer hat, wird es umgehend verschrottet. Der Verein handelte und erwarb das Schiff um den symbolischen Betrag von einem Euro.
In einem unglaublichen Kraftakt und unter Beteiligung von unzähligen Mitstreitern, Privatpersonen und Unternehmen wurde die Oesterreich innerhalb von drei Jahren wieder in ihren ursprünglichen Zustand von 1928 zurückgebaut, umfassend renoviert und erneuert. So wurde sie nun auch wintersicher mit allen Annehmlichkeiten der Neuzeit konstruiert und ausgestattet. Am 18. April 2019 wurde zur dritten Jungfernfahrt geladen. Die Oesterreich, das erste große Schiff mit Dieselantrieb auf dem Schwäbischen Meer, glänzt wieder wie damals im Art déco-Stil und begeistert das Publikum.